Tagung 2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr herzlich laden wir zur 27. Jahrestagung der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler ein, die unter dem Generalthema
Perspektiven einer europäischen Privatrechtswissenschaft
vom 14. bis 17. September 2016
stattfinden wird.
Der wissenschaftliche Teil umfasst 14 Referate, die das Generalthema im Hinblick auf die Grundlagen und Methoden des Zivilrechts, das allgemeine Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht sowie das Wirtschafts- und Arbeitsrecht widerspiegeln.
Das Rahmenprogramm und die geselligen Abendveranstaltungen sollen Gelegenheit zum persönlichen Austausch und zum Kennenlernen bieten. Einzelheiten zum Ablauf enthält das Tagungsprogramm.
Call for Papers
Während noch vor wenigen Jahrzehnten nur wenige Bestimmungen des Unionsrechts in das nationale Privatrecht ausgestrahlt haben, hat die Regelungsdichte europäischer Rechtsakte inzwischen sowohl in der Breite als auch in der Tiefe massiv zugenommen. Nicht mehr nur die eher abstrakt formulierten „Programmsätze“ des europäischen Primärrechts prägen das nationale Recht, sondern es existiert darüber hinaus eine große Zahl detaillierter Regelungen auf der Ebene des europäischen Sekundärrechts. In vielen Teilgebieten des Privatrechts lassen sich Rechtsfragen nicht ohne einen Blick in das europäische Recht beantworten. Ein isolierter Blick in das nationale Recht kann bisweilen sogar irreführend sein. Der Ruf nach einer Europäisierung der Privatrechtswissenschaft kann deshalb nicht verwundern.
Die „jungen Zivilrechtswissenschaftler“ des 21. Jahrhunderts kommen nicht umhin, sich als Teil einer europäischen Privatrechtswissenschaft zu verstehen. Dieses Selbstverständnis führt zu einer Erweiterung des privatrechtlichen Diskurses über die Grenzen des deutschsprachigen Rechtsraumes hinweg. Ein fachlicher Austausch findet auch mit Kollegen im Ausland statt; deutsche Juristen publizieren in ausländischen Journals, rezipieren Veröffentlichungen aus anderen Jurisdiktionen und tauschen sich auf internationalen Tagungen mit anderen Nachwuchswissenschaftlern aus ganz Europa aus. Dies hat erhebliche Auswirkungen sowohl auf den Forschungsgegenstand der Privatrechtswissenschaft als auch auf die Methoden, mit denen dieser Gegenstand untersucht wird.
- Inhaltlich rückt zum einen das genuin europäische Privatrecht als europaweit gemeinsamer Forschungsgegenstand gegenüber dem nationalen Privatrecht in den Vordergrund. Der acquis communautaire ist beachtlich angewachsen. Es gibt nicht mehr nur punktuelle Regelungen, sondern es stellt sich die Frage, ob sich das europäische Privatrecht systematisieren lässt. Gibt es genuin europäische Rechtsprinzipien (z. B. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)? Zum anderen wird nationales Privatrecht verstärkt unter dem Blickwinkel seiner Beeinflussung durch höherrangiges Unionsrecht (Primärrecht und Sekundärrecht) untersucht. Diese Beeinflussung ist in manchen Rechtsgebieten – z.B. dem Verbraucherschutzrecht – stark ausgeprägt, spielt in anderen Bereichen des Privatrechts – namentlich dem Allgemeinen Teil – bislang aber kaum eine Rolle.
- Methodisch führt dies dazu, dass der Zugang zu rechtlichen Fragestellungen heutzutage nicht mehr selbstverständlich von einer konkreten Norm ausgeht, sondern zunehmend eher von einem bestimmten (Regulierungs-)Problem. Häufig tritt dabei eine funktionale / rechtsvergleichende Perspektive in den Vordergrund: Die Privatrechtswissenschaft fragt nicht mehr nur danach, wie das Recht ist, sondern zunehmend auch danach, wie das Recht sein soll. Adressaten ihrer Überlegungen sind neben den Normanwendern (Gerichten und Anwaltschaft) auch die Gesetzgeber der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten. Dabei ist eine zunehmende Offenheit für die Methoden verwandter Disziplinen und die Einbeziehung empirischer Untersuchungen und ökonomischer Modelle in rechtswissenschaftliche Forschungsprojekte zu beobachten. Konkret stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob zum Beispiel in der Rechtsprechung des EuGH ein stärkerer rechtsvergleichender Ansatz wünschenswert wäre. Der Fundus nationaler Rechtstraditionen wird womöglich bei der Entwicklung eines genuin europäischen Privatrechts nicht hinreichend ausgeschöpft. Unklar ist auch, wie mit Präzedenzfällen des EuGH umzugehen ist. Es fehlt beispielsweise eine Theorie im Umgang mit dem case law des EuGH (Stichwort: distinguishing). Im Kartellrecht ist etwa der more economic approach zu beobachten.
Die inhaltlichen und methodischen Herausforderungen, denen sich die „jungen“ Repräsentanten einer europäischen Privatrechtswissenschaft im 21. Jahrhundert stellen werden, sollen Gegenstand der Münchener GJZ-Jahrestagung sein. Der Bogen denkbarer Themen ist dabei weit gespannt. Die nachfolgende, nicht abschließende Aufzählung von Problemfeldern versteht sich lediglich als Anregung, in welchen Bereichen den Perspektiven einer europäischen Privatrechtswissenschaft nachgegangen werden kann. Vorträge und Manuskripte in englischer Sprache sind ausdrücklich willkommen.
Allgemeines / Methodik
- Einfluss europäischer Rechtsvereinheitlichung auf Staaten außerhalb der EU
- Entwicklung / Konturierung genuin europäischer Rechtsbegriffe
- Europäisches Case Law
- Europäisches Zivilrecht: Ein „29. Regime“ als Alternative zur Harmonisierung?
- Friktionen innerhalb des nationalen Rechts aufgrund von Teilvereinheitlichungen bestimmter Normenkomplexe
- Herausbildung europäischer Rechtsprinzipien (z. B. eines allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots)
- Potential von Modellgesetzen
- Rechtsvereinheitlichung vs. Wettbewerb der Zivilrechtsordnungen
- Regulierungsinstrumente im Zivilrecht: Welche Regulierungsform ist für welche Sachbereiche geeignet und warum?
Allgemeines Zivilrecht / Zivilverfahrensrecht
- „Allgemeiner Teil“ eines europäischen Kollisionsrechts
- „Clash of cultures“ im Familien- und Erbrecht
- Demographischer Wandel und Zivilrecht
- Europäisches Kreditsicherungsrecht, insb. Einfluss der Grundfreiheiten auf die nationalen Regelungen zur Kreditsicherung
- Gewährleistung einheitlicher Rechtsanwendung in Europa
- Haftungsprobleme bei „autonomer“ Steuerung von Kraftfahrzeugen
- Harmonisierung des Verfahrensrechts
- Herausforderungen des Zivilrechts durch technologische Entwicklungen
- Zivilrechtlicher Schutz der Privatsphäre
- Zukunft nationaler Besonderheiten (z.B. Abstraktionsprinzip) und Überwindung nationaler Rechtstraditionen in Europa
Wirtschaftsrecht / Arbeitsrecht
- Begrenzung von Immaterialgüterrechten durch europäisches Wettbewerbsrecht
- Diversifizierung und Internationalisierung von Gesellschaftsorganen
- Europäisches Handelsrecht
- Inhaltskontrolle von Unternehmenskaufverträgen
- Schaffung eines europäischen Gesellschaftskollisionsrechts
- Wechselseitige Beeinflussung von Aufsichtsrecht und Privatrecht (z.B. im Investmentrecht)
Es freut uns, wenn das Thema der Jahrestagung 2016 der Gesellschaft junger Zivilrechtswissenschaftler e.V. Ihr und Euer Interesse geweckt hat. Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, ein bis zu zwanzigminütiges Referat zu übernehmen, bitten wir, ein Expose von maximal zwei Seiten bis zum 30. April 2016 bei uns einzureichen.
Organisatoren
Tagungsort
Tagungshotels
Tagungen der letzten Jahre
2015, Marburg: Netzwerke im Privatrecht
2014, Köln: Richterliche Rechtsfortbildung und kodifiziertes Richterrecht
2013, Bern: Metamorphose des Zivilrechts
2012, Berlin: Macht im Zivilrecht
2011, Augsburg: Realitäten des Zivilrechts, Grenzen des Zivilrechts
2010, Wien: Vertrauen und Kontrolle im Privatrecht
2009, Osnabrück: Europäische Methodik. Konvergenz und Diskrepanz nationalen und europäischen Privatrechts
2008, Zürich: Einheit des Privatrechts, komplexe Welt. Herausforderungen durch fortschreitende Spezialisierung und Interdisziplinarität
2007, Düsseldorf: Recht und Wirtschaft
2006, Leipzig: Verantwortung und Haftung im Zivilrecht
2005, Bremen: Zugang und Ausschluss als Gegenstand des Privatrechts
2004, Göttingen: Europäisches Privatrecht – über die Verknüpfung von nationalem und Gemeinschaftsrecht
2003, Salzburg: Die soziale Dimension des Zivilrechts – Zivilrecht zwischen Liberalismus und sozialer Verantwortung
2002, Heidelberg: Die Privatisierung des Privatrechts
2001, Freiburg: Das neue Schuldrecht
2000, Wien: Prinzipien des Privatrechts Rechtsvereinheitlichung
1999, Bonn: Tradition und Fortschritt im Recht
1998, Bern: Vernetzte Welt – globales Recht
1997, Mainz: Europäisierung des Privatrechts: Zwischenbilanz und Perspektiven
1996, Rostock: Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach Verkündung des BGB: Erreichtes, Verfehltes, Übersehenes
1995, Berlin: Privatautonomie und Ungleichgewichtslagen
1994, Köln: Summum ius, summa iniuria. Zivilrecht zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit
1993, Bremen: Risikoregulierung und Privatrecht – Sicherheit Umweltschutz, Versicherung im Wettbewerbsrecht – Risikomanagement im Unternehmen
1992, München: Rechtsfortbildung jenseits klassischer Methodik – Privatautonomie zwischen Status und Kontrakt – Privatrecht und Europa
1991, Tübingen: Europäisches Privatrecht, Unternehmensrecht, Informationspflichten im Zivilrecht
1990, Hamburg: Kapitalmarktrecht, Schadensrecht, Privatrecht und deutsche Einheit